Vom Rotbach bis nach Seoul

Vom Rotbach bis nach Seoul
Welche Türen das Ehrenamt öffnen kann

„Gemeinsam wachsen, für immer strahlen“ – unter diesem inspirierenden Motto entfalteten sich im Januar die Youth Olympic Games (YOG) in Gangwon, Südkorea. Und ich hatte das Privileg, ein Teil dieser faszinierenden Veranstaltung zu sein. Hier ist mein Erlebnisbericht und wie auch du vielleicht einmal die Chance auf ein solches Abenteuer bekommen kannst.

Aber fangen wir ganz von vorne an. Am 19. Januar wurden die vierten Olympischen Winterjugendspiele in Gangwon eröffnet. Rund 1800 Athleten aus 79 Ländern traten in 15 Disziplinen und sieben Sportarten an und tauchten in den olympischen Geist ein. Im Rahmen der Jugendspiele organisiert die Deutsche Sportjugend traditionell das sogenannte Academy Camp. Dabei werden 30 junge, ehrenamtlich engagierte Sportler ausgewählt, die die Gelegenheit erhalten, sich durch ein vielfältiges Programm aus Olympiabegeisterung und Kultur des Gastgeberlandes weiterzuentwickeln. Jeder zwischen 18 und 27 Jahren kann sich für das Camp bewerben, und eine Jury wählt dann die Teilnehmer aus. Entscheidend für die Teilnahme ist das Ausmaß des ehrenamtlichen Engagements, das man zeigt oder gezeigt hat. Dies kann auf verschiedene Weisen ausgelebt werden – sei es als Bundesjugendsprecher oder innerhalb des eigenen Vereins. Doch das Gemeinsame ist der unermüdliche Einsatz für Kinder und Jugendliche im Sport, geleitet von Leidenschaft und Hingabe. Letztendlich sind es nicht bloß Titel, die qualifizieren, sondern das authentische Engagement und die Verbundenheit zu dieser wichtigen Arbeit. Dies ist auf jeden Fall mein Eindruck, nachdem ich alle Teilnehmer kennengelernt habe.

Dieses Jahr führte die Reise also 30 junge Engagierte nach Südkorea, und ich hatte das Glück, einer von ihnen zu sein.

Die Reise begann am Dienstag, den 16. Januar, oder auch nicht ganz. Ein geplanter Tag Aufenthalt in Frankfurt wurde aufgrund eines verschobenen Fluges zu zwei Tagen. Den zusätzlichen Tag nutzten wir, um am Dienstagabend wie geplant das Feuerwerk der Turnerkunst zu besuchen, zu dem wir eingeladen worden waren. Es war eine beeindruckende Show und ein gelungener Auftakt für die kommenden zwei Wochen. Am „neuen“ Tag in Frankfurt tauchten wir dann tiefer in die koreanische Kultur und das Thema Prävention sexualisierter Gewalt ein und trafen den Vorsitzenden der Deutschen Sportjugend, Leon Rieß. Nach einem 12-stündigen Flug am nächsten Tag landeten wir schließlich um 10:40 Uhr koreanischer Zeit Seoul. Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, machten wir uns trotz der verspäteten Ankunft auf eine kurze Stadtrallye. Eine großartige Gelegenheit, die Stadt zumindest ein wenig kennenzulernen. Nach einem gemeinsamen koreanischen Abendessen schauten wir uns zusammen die Eröffnungsfeier der Youth Olympic Games an.

Am nächsten Morgen begaben wir uns zu den Spielen. Nach einer dreistündigen Busfahrt und einigen nachgeholten Stunden Schlaf kamen wir schließlich in Pyeongchang an. Dort fanden bereits 2018 die Olympischen Winterspiele statt, weshalb viele der Sportstätten auch für die YOG genutzt wurden. Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, trafen wir uns zu einem Workshop im Konferenzraum. Thema war die Weiterentwicklung unseres Engagements im Ehrenamt sowie der Austausch und die Vernetzung untereinander. Anschließend besuchte uns Stefan Raid, der 1. Vorsitzende der DSJ, und beantwortete unsere Fragen.

Wie werden die Olympischen (Jugend)Spiele der Zukunft aussehen? Welche Sportarten sollten olympisch werden und wie können die Spiele attraktiver gestaltet werden? All diese Fragen und viele mehr diskutierten wir am nächsten Morgen beim Workshop über die Zukunft der Olympischen Bewegung. Danach stand der erste Besuch eines Wettkampfs für uns auf dem Programm: Skispringen! Dort feuerten wir enthusiastisch die Athleten an, und einige von uns wurden sogar für das koreanische Fernsehen interviewt. In unserer einheitlichen Kleidung waren wir schon von Weitem als „german cheering squad“ zu erkennen als welcher wir schnell unter den Athleten und den Medien bekannt wurden. Sogar zwei deutsche Athleten setzten sich zu uns auf die Tribüne und unterstützten die Skispringer mit uns. Es war ein unvergessliches Gefühl, Olympia so hautnah zu erleben.

Damit war der Tag jedoch noch lange nicht vorbei. Zurück im Hotel besuchte uns Vanessa Hinz, ehemalige Biathletin und Athlete Role Model vor Ort in Südkorea. Dies ist eine Besonderheit der YOG, bei denen in jeder Sportart zwei ehemalige Spitzenathleten als Mentoren für die jungen Sportler fungieren. Am nächsten Tag erfuhren wir beim Treffen mit Olaf Tabor, dem Chef de Mission des deutschen Teams in Korea, mehr über die Aufgaben des DOSB-Vorstands Leistungssport. Danach besuchten wir den Olympic Park, erlebten beim Short Track die Spannung hautnah und kamen mit anderen Zuschauern und deutschen Athleten ins Gespräch. Es war faszinierend zu sehen, wie schnell der Traum von einer Medaille platzen kann, wenn man nicht bis zur letzten Sekunde konzentriert ist. Auf der Tribüne tauschten wir uns angeregt aus, auch mit prominenten Gästen wie Britta Heidemann und Michael Mronz vom IOC sowie den deutschen Curlern, die erneut spontan zu uns stießen. Die nächsten Tage verliefen ähnlich. Wir erlebten bei bis zu -20 Grad Celsius die Sportarten Rodeln, Biathlon und Eishockey 3×3 und tauschten uns dabei mit Volunteers, anderen Zuschauern und deutschen Athleten aus. Auch Sascha Benecken, ehemaliger Rodler und ebenfalls als Athlete Role Model vor Ort, und Torsten Burmester, Vorstandsvorsitzender des DOSB, standen uns in Gesprächsrunden Rede und Antwort. Ein weiteres Highlight war das Treffen mit Christian Klaue im offiziellen IOC-Hotel. Als Direktor für Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit gewährte er uns spannende Einblicke in seine Arbeit. Nach insgesamt sieben interessanten und erlebnisreichen Tagen in Pyeongchang traten wir am folgenden Morgen die Rückreise nach Seoul an. Den restlichen Tag hatten wir frei und erkundeten die Stadt auf eigene Faust.

Die nächsten drei Tage standen ganz im Zeichen des interkulturellen Austauschs. Gemeinsam mit koreanische Germanistik-Studierende aus Seoul und Umgebung nahmen wir an spannenden Workshops teil, bei denen wir Themen wie Mental Health und Gender Equality diskutierten. Der internationale Austausch und Diskurs waren unglaublich bereichernd. Doch die schönsten Momente waren die gemeinsamen Besuche in koreanischen Restaurants und Karaokebars in den Mittagspausen oder am Freien Abend danach. Dort tauchten wir in die koreanische Kultur ein und knüpften persönliche Bindungen, die ich als Höhepunkt meiner Reise hervorheben muss.

Nach diesen intensiven und glücksgefüllten Tagen wurde es plötzlich ernst, als wir unter der Führung des Militärattachés der deutschen Botschaft die demilitarisierte Zone zwischen Süd- und Nordkorea besuchten. Dort erfuhren wir mehr über den Konflikt zwischen den beiden Ländern und konnten Nordkorea aus der Ferne betrachten – ein seltsames Gefühl. Der Tag eindrucksvoll weiter mit einem Besuch in der beeindruckenden Residenz des deutschen Botschafters in welche wir eingeladen wurden. In entspannter Atmosphäre kamen wir nach einer bereichernden Fragerunde mit ihm und einigen Botschaftsmitarbeitern ins Gespräch.

Am nächsten Tag besuchten wir die Korean National Sports University, wo uns eine Dozentin die koreanische Sportkultur näherbrachte und uns eine exklusive Tour über den Campus gab. Das Highlight für mich war aber natürlich der Hockeyplatz im Herzen des Campus. Nach einem letzten gemeinsamen Essen und einem Abstecher in eine Karaokebar hieß es Abschied nehmen von Seoul.

Nach einem letzten gemeinsamen Essen und einem Abstecher in eine Karaokebar hieß es Abschied nehmen von Seoul. Eigentlich hätten wir am nächsten Morgen zurückfliegen sollen, aber unser Flug wurde erneut verschoben, diesmal um zwei Tage. Trotzdem war dies für einige von uns keine Enttäuschung, sondern eine weitere Chance, Seoul für zwei weitere Tage zu erkunden. In dieser Zeit trafen wir uns erneut mit den koreanischen Studenten, die wir in den vorangegangenen Tagen kennengelernt hatten, und erkundeten gemeinsam die Stadt in all ihren Facetten. Von Palästen über Tempel bis hin zu malerischen Fußgängerdörfern und einem riesigen Indoor-Freizeitpark erlebten wir noch mehr von dieser faszinierenden Metropole. Wir besuchten unzählige Cafés und Restaurants und vertieften unsere Freundschaften mit den Koreanern. Es waren unvergessliche Tage voller Abenteuer und Begegnungen, die unsere Reise auf wunderbare Weise abrundeten.

Am 3. Februar landeten wir dann aber endlich sicher wieder in Deutschland. Es war eine Reise und Erfahrung, die schwer in Worte zu fassen ist. Es waren die Olympischen Spiele, die Athleten, die Volunteers, die Menschen vor Ort, die herzliche Gastfreundschaft, die Vertreter des DOSB und IOC, das Organisationsteam, die anderen Teilnehmer, die zu Freunden wurden, und so vieles mehr.

Es wird einige Zeit dauern, bis ich diese Reise vollständig verarbeitet habe. Aber ich bin unendlich dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte, und danke allen, die mich dabei unterstützt haben. Vielen Dank!

Bericht: Jan Husemann